Der See ist immer voll!

Fliesst das Wasser nicht schnell genug ab?

Dem sonntäglichen Spaziergänger fällt auf: Der See ist gut gefüllt. Gewisse Teilflächen überflutet. Bäume vom Vorjahres-Hochwasser müssen gefällt werden. Wieso fliesst nicht mehr ab? Das Gerücht macht die Runde, dass es mit der Renaturierung der Sure zu tun hat. Wir halten uns an die Fakten der Hydrometrie und haben die aktuellen Daten zu Abfluss und Pegelstand beim Bund nachgeschaut. Siehe Abbildungen. Die gute Nachricht. Je höher der Pegel, desto mehr fliesst auch ab. Fragt sich bloss, ob auch schnell genug? 

Eine Anfrage und ein Postulat
FDP-Kantonsrätin Rosy Schmid-Ambauen hat am 24. Januar 2022 eine Anfrage an die Kantonsregierung gerichtet. Mit der Antwort, dass der Einfluss des Wehres auf den Seeausfluss sehr gering ist. Das Gefälle und der Querschnitt der Sure auf den ersten rund 1,5 km würden deren Abflusskapazität definieren. Die Abflusskapazität sei vor allem aufgrund des sehr kleinen Gefälles limitiert. Warum kam es in den letzten Jahren zu «wiederholten, massiven Überschwemmungen» rund um den Sempachersee? Das will SVP-Kantonsrat Rolf Bossart in einem aktuellen Postulat von der Regierung wissen. Dieses wurde für erheblich erklärt. Er verlangte zudem Massnahmen, um Überschwemmungsschäden künftig zu verhindern.

Kanton Luzern untersucht die Zusammenhänge
Wir haben bei Viktor Schmidiger, Abteilungsleiter Naturgefahren beim Kanton Luzern nachgefragt. Hier seine Antwort: «Der Sempachersee steigt insbesondere bei längeren Niederschlagsperioden (Dauerregen mit und ohne Schneeschmelze) deutlich an. Infolge des limitierten Auslaufs dauert es anschliessend lange, bis sich der Pegel des Sempachersees wieder nachhaltig abgesenkt hat. Hochwasser am Sempachersee gab es in den letzten 25 Jahren mehrere, so z. B. in den Jahren 1999, 2005, 2006, 2007 und in der jüngsten Vergangenheit in den Jahren 2021 und 2023/2024. Sie schreiben in ihrer E-Mail, dass sich die Hochwassersituation am Sempachersee infolge der Revitalisierungsmassnahmen an der Sure im Abschnitt Fischerhof bis Einmündung Hofbach, welche in den 2020er-Jahren ausgeführt wurden, weiter verschärft haben könnte. Zu diesem Thema ist anfangs Jahr seitens Kantonsrat auch ein Postulat eingereicht worden. Die Abteilung Naturgefahren wird nun abklären, ob zwischen diesen Revitalisierungsmassnahmen an der Sure und dem hohen Seewasserstand bzw. geringen Abfluss aus dem Sempachersee ein Zusammenhang besteht. Bis zum Vorliegen dieser Resultate können wir diesbezüglich noch keine fundierten Aussagen machen.»

Und wohin fliesst das überschüssige Quellwasser der Gemeinden?
trechter.ch Leser Roman Amrein hat uns auf diese spannende Zusatzfrage aufmerksam gemacht. Seit ihrer Gründung im Dezember 2018 ist die Aquaregio AG für die Primär-Wasserversorgung der Region Sursee – Mittelland zuständig. Seit Februar, bzw. März werden die Gemeinden Oberkirch und Nottwil grossmehrheitlich mit täglich 1'200 bis 1'500 m3 Wasser aus dem Reservoir Rippertschwand (WV Emmen) versorgt. Im Vergleich dazu: Der Sempachersee hat eine Oberfläche von rund 14.5 km2, also 14'500'000 m2. Wenn man dies ins Verhältnis setzt, entspricht der Wasserverbrauch rund einem 10’000-stel der Seefläche, oder anders gesagt 0.1 mm Wasserhöhe.

Franz Blääter
Franz Blättler, Aquaregio AG

Wohin fliesst nun das nicht mehr benötigte Quellwasser dieser Gemeinden? Franz Blättler ist Geschäftsleiter der Aquaregio AG. Er muss es wissen. «Das nicht genutzt Quell-/Grundwasser versickert, respektive verbleibt im Untergrund, da es ja nicht an die Oberfläche gefördert wird. Dies entspricht wohl dem ursprünglichen Zustand, bevor das Wasser als Trinkwasser genutzt wurde. Wann und wieviel davon in den Sempachersee infiltriert, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedoch ist mit der angenommenen 0.1mm Wasserhöhe der Anteil wohl als marginal zu betrachten.» Wir haben nachgerechnet. Nach Adam Riese entsprechen die 1'500 m3 benötigtes Trinkwasser in 24h einem Wert von 0.017 m3 pro Sekunde --> das sind 17 Liter pro Sekunde. Das wäre dann die zusätzliche Menge an Wasser, die durch diesen Effekt maximal gesehen die Sure runterfliesst.

Was meint die Korporation Sursee?
Schon länger mit dem hohen Seepegel beschäftigt, ist auch die Korporation Sursee. Anhaltend überschwemmte Fusswege, ertrinkende Bäume, die gefällt werden müssen oder Unterspülungen, die weiteren Schaden verursachen. Dazu Korporationspräsidentin Karin Wagemann: «Die Natur leidet und ist nachhaltig geschädigt. Wir müssen den Baumbestand (auf eigene Kosten) wieder aufforsten, doch auch wenn wir dies tun, hat sich das Landschaftsbild sichtbar verändert. Es fehlt an Nistbäumen und Rückzugsflächen/Schutzflächen für die Vögel.

Karin Wagemann
Korporationspräsidentin, Karin Wagemann

Das Postulat von Rolf Bossart lässt uns hoffen, dass den Ursachen genauer auf den Grund gegangen wird. Wir massen uns nicht an, darüber zu mutmassen. Die Antworten auf die Anfrage von Rosy Schmid haben wir ebenfalls erhalten, doch befriedigend sind diese nicht. Es ist wohl allen klar, dass sich etwas ändern muss, so dass der Wasserpegel des Sempachersees wieder schneller sinken kann und die Schäden eines Hochwassers überschaubarer sind.»

Eine Baugeschichte mit Folgen – Lesermeinung von Theo Schoch, Nottwil
Seit 1970 wurden im Einzugsgebiet des Sempachersees umfangreiche Versiegelungen erstellt (Autobahn, Kantons- + Gemeindestrassen, Siedlungen und Gewerbeflächen etc.). Das separate Ableiten des Meteorwassers (Dach-, Strsssen- und Platzwasser) und direktem  Einleiten in den See führt, trotz verfügter Retentionen, zu einem zusätzlichen unnatürlichen, schnellen Zufluss bei Starkregen.

Die Retentionen (bei Siedlungen) können ihre Funktion nicht ausreichend erfüllen (Überlaufen, Wartung Drosselung, min. Volumen). Bei den Strassenflächen (z.B. Autobahn ca. 35 ha = 350'000 m2) sind zu kleine oder gar keine Retentionen vorhanden. Die gemäss GS-Gesetz vorgeschriebenen Strassen-Abwasser-Behandlungsanlagen wurden ebenfalls nicht erstellt. In den vergangenen 50 bis 60 Jahren hat sich im Einzugsgebiet des Sempachersees baulich viel geändert. Bei vielen Projekten (Hochwasserschutzmassnahmen Sure Oberkirch - Sursee, Hofbach Golfplatz, durfte ich selber mitwirken. 


Was ist deine Meinung? Hast du einen Lösungsvorschlag? Sende ihn an info@trechter.ch

Aktuelle Messdaten vom Sempachersee
Pegelstand Sempach, 26.03.24: 504.17 m üM.
Abflussgeschwindigkeit Oberkirch, 26.03.24: 3.0 m3/s

Pegelstand Sempach, 02.04.24: 504.12 m üM.
Abflussgeschwindikgeit Oberkirch, 02.04.24: 2.7m3/s

Pegelstand Sempach, 09.04.24: 504.11 m üM.
Abflussgeschwindikgeit Oberkirch, 02.04.24: 2.4m3/s

Pegelstand Jahresmittel:
Höchstes, 504 m ü.M., Jahr 2021
Tiefstes, 503.75 m ü.M., Jahr 1949
Mittelwert, 503.77 m ü.M.

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  • Die Messstationen am Sempachersee

  • Abfluss/Wasserstand im Vergleich: 2014 und 2024

  • Abfluss und Wasserstand 2024

  • Abfluss Sure 2014

  • Abfluss Sure 2023

  • Pegel Sempachersee 2013

  • Pegel Sempachersee 2023

  • Rette sich wer kann! ;-) Bild: Irene Troxler

  • Der Bootsverleih in Sursee. Bild von Livio Arnold, 19.03.24.

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