Die Würfel sind gefallen. Sursee wird städtisch.

Ein Kommentar von Andreas Troxler

Ein Leuchtturm-Projekt sei es, das neue Projekt ALEA an der Pilatusstrasse. Und dies ist es wohl auch. Nach der Ortsplanungsrevision nimmt die Verdichtung in Sursee weiter Fahrt auf. Die Gebäude wachsen mit dem Dreiklang der LUKB und des benachbarten Girasole im Gebiet Isebahn-Vorstadt (City) in die Höhe. Der Bebauungsplan Pilatusstrasse wurde am 30. Mai 2022 an der ordentlichen Einwohnergemeindeversammlung genehmigt. Ende 2023 soll es losgehen. Es folgt ein persönlicher Kommentar zur Zentrumsentwicklung von Sursee anhand des geplanten Projekts ALEA.

Sursee wächst und hat einen Plan – auch qualitativ?
Das räumliche Entwicklungskonzept (REK) wurde 2013 im Vorfeld zur Gesamtrevision der Ortsplanung im 2019 als Grundlage erarbeitet und 2016 aktualisiert. Es zeigt auf, dass die innere Verdichtung und Siedlungsentwicklung Sursees in erster Priorität im Bahnhofgebiet erfolgen soll. Im REK wird auch die Bedeutung des qualitativen Wachstums festgehalten: «Neben dem quantitativen Wachstum ist insbesondere auch das qualitative Wachstum verstärkt zu betrachten. Dies auch im Zusammenhang unter dem Aspekt der nachhaltigen Entwicklung. Wichtige Bereiche sind: Ortsgestaltung, Aufwertung der Landschaft und Naherholung».

Abb. Konzeptkarte Raumnutzung mit Verdichtungsgebiet Isebahn Vorstadt (City), rot eingefärbt. (Quelle: REK 2016)

Rechts abbiegen, bitte!
Bei jedem Neubauprojekt ein kritischer Punkt in Sursee: Der Verkehr. Wie sieht es hier beim geplanten Projekt ALEA aus? Gemäss Botschaft der Stadt Sursee zeigen das Mobilitätskonzept und der Verkehrsbericht auf, dass «die Umfahrungsstrasse den zusätzlichen Verkehr schlucken kann». Tönt doch fantastisch. Also, planen wir. Maximal dürfen, nach der 40% Reduktion des Normbedarfs an Abstellplätzen, 179 Parkplätze für Bewohnende und Beschäftigte erstellt werden. Inklusive der öffentlich zugänglichen Aussenparkfelder für die Kundschaft und Besucher. Mit der Truvag und Ulrich Wohnen werden zwei Betriebe vor Ort sein, die auf Autofahrten angewiesen sind. Die einen rollen zu Kunden und ihren Immobilien. Die anderen wollen Kunden in ihrer Verkaufsfläche. Ist hier eine valide Aussage über den Mehrverkehr also möglich? Wohl kaum. Sind doch auch das Konzept und der Mieter der Gewerbeflächen im Erdgeschoss noch nicht bekannt. Progressiv erscheint die Planung einer Einfahrt seitlich der Ringstrasse Nord. Abbremsen vor dem Rechtsabbiegen und potentieller Rückstau zum Kotten-Kreisel als mögliches Zukunftsszenario? Wie sieht es mit zukünftigem Parkplatz-Suchverkehr rund um den Kreisel und das Ulrich Wohncenter aus? Da erscheint die Aussage «die durch das Projekt generierten Fahrten beeinträchtigen das Strassennetz nur minimal» etwas naiv. In einem überlasteten Strassenverkehrsnetz ist jede zusätzliche Fahrt eine zu viel. Wo gearbeitet wird, gibt es Mobilität. Wo neue Flächen entstehen, gibt es mehr Menschen. Konkret 2'400 m² Gewerbeflächen und 1'600 m² Verkaufs- und Gastroflächen. Das neue Geschäftszentrum von Sursee im Gebiet Bahnhof ohne Mehrverkehr? Na ja,... oder, wie hoch kann das Minimum «auf das der motorisierte Individualverkehr reduziert wird» überhaupt gehen?

Das geplante Neubauprojekt ALEA nach dem Kottenkreisel. (Quelle: Projektwebsite)

Hochhäuser – wer wohnt denn da?
In der Einleitung der Botschaft zum Bebauungsplan Pilatusstrasse steht: «Die Stadt Sursee steht für ein ausgewogenes Miteinander von Leben, Wohnen, Lernen und Arbeit». An der Gemeindeversammlung gab es folgende interessante Wortmeldung von Investor Walter Ulrich: «Der Neubau und das Quartier sind nicht für Familien geeignet» und gleichzeitig «hier sollen Surseer wohnen, die auch hier arbeiten». Geplant sind 70 Wohnungen mit 2.5. bis 4.5 Zi.-Wohnungen. Der Grossteil der Wohnungen sind 2.5 oder 3.5 Zi.-Wohnungen. Was für Menschen ziehen in kleine Hochhaus-Wohnungen nahe am Bahnhof gelegen? Haben sie eine Identität mit und zu Sursee? Suchen sie diese überhaupt? «Niemand soll anonym leben», wie es auf der Projektwebsite so schön heisst. Das ist doch gerade der Reiz am städtischen Wohnen, oder etwa nicht? Hier scheint es eine Diskrepanz zu geben zwischen dem alten noch ländlich geprägten Bild Sursees «Weisch dä Walti ond dä René boued das Projekt» mit dem sich in Entwicklung befindenden, mondänen «Isebahn-City Life» mit seinen neuen Bewohnern und Lebensstilen. Sollen in diesem Gebiet in Zukunft auch Familien wohnen? Regelt dies der Markt von selbst? Wird dies in Zukunft das anonyme Stadtquartier? Hochhäuser sind für Sursee nicht neu. Die meisten stehen gemäss REK im Bahnhofgebiet. Und doch wirkt die Aussage auf der Projektwebsite hinsichtlich der baulichen Entwicklung im Bahnhofgebiet etwas gar romantisch: «Das Miteinander wird gezielt gefördert. Eine gute Mieterdurchmischung ist unser Ziel».

Ab durch die Hecke – Freiraum für alle
Vielleicht wird das Miteinander ja durch die Grünfläche und die Begegnungszone des eingeplanten Freiraums gefördert. Auf Erdgeschossebene zum Bahnhof hin soll ein öffentlicher grosszügiger Platz mit Grossbäumen, einer Kiesfläche, Bauminseln, einem Brunnen und Sitzgelegenheiten entstehen. Hier wurde während dem Mitwirkungsverfahren nachgebessert und die Anzahl der Bäume auf 45 erhöht. Es lebt die Hoffnung, dass möglichst viele der neuen Mieter, nennen wir sie DINKS (double income no kids) und Pendler mit wenig Aufenthaltszeit, wie auch der ansässigen Firmen, die Aussenflächen für sich auch untertags entdecken und diese beleben. So wie in einer richtigen Stadt halt. Und es schlussendlich mehr ist als bloss ein Pausenplatz für die «ALDI snacking Teenies», die von den Turmbewohnern von ihrem 305m² grossen Dachgarten kritisch beobachtet werden. Sursee wird städtischer. Die Häuser höher. Das ist gut so.

» Projektwebsite Alea Sursee

» Räumliches Entwicklungskonzept Stadt Sursee

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  • Das geplante Neubauprojekt ALEA an der Pilatusstrasse

  • An der Gemeindeversammlung wurde der Bebauungsplan angenommen

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